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Stefan Thiesen


Stefan Thiesen © Stefan Thiesen
Stefan Thiesen
1967
Lünen
Selm
Selm
Hellweg, Westfalen komplett
Sachbuch
Werner Straße 203
59379 Selm
02592-7959

Pressedaten

Erläuterungen und Bedingungen

Pressefotos und Logos zum Download in der Datenbank LITon.NRW

Das Westfälische Literaturbüro in Unna e.V. pflegt im Rahmen der NRW-Literatur-Online-Datenbank LITon.NRW (ehemals www.nrw-literatur-im-netz.de) seit Herbst 2003 eine Foto-Datenbank mit hochauflösenden Fotos von Autor*innen sowie Fotos und Logos von literarischen Institutionen und Projekten aus NRW. Der Service richtet sich an Medien und Literaturveranstalter*innen, die auf diese Weise unkompliziert an Pressefotos und/oder Logos gelangen können. Dieser Service ist (in der Regel) kostenlos. Wenn ein*e Autor*in / eine Institution / ein Projekt Pressefotos bzw. Logos zur Verfügung gestellt hat, ist unter dem jeweiligen Profilfoto das bzw. die entsprechende/n Symbol/e aktiv (anklickbar). Klickt man darauf, klappt bei den Pressefotos ein neues Menü aus, worüber sich das/die Foto/s herunterladen lassen; bei den Logos öffnet sich direkt ein neues Fenster, worüber diese direkt heruntergeladen werden können. Einem Download steht nichts entgegen, wenn die folgenden Nutzungsbedingungen akzeptiert werden:

Alle Rechte vorbehalten. Die Bildmaterialien dürfen lediglich für die redaktionelle Berichterstattung bzw. von Veranstalter*innen für ihre Öffentlichkeitsarbeit unter Angabe des Copyrights bzw. des*der Urhebers*Urheberin (falls im Datensatz angegeben) honorarfrei verwendet werden. Andere Nutzungen, insbesondere jede Art von kommerzieller Verwendung des vorliegenden Materials außerhalb der Medienberichterstattung oder Veranstaltungswerbung, ist ausdrücklich untersagt. Mit dem Download von Fotos bzw. Logos stimmt der*die Nutzer*in dieser Regelung ausdrücklich zu.

Infos für Autor*innen, literarische Institutionen und Projekte

Für die Bereitstellung von Fotos und Logos im Download-Bereich von LITon.NRW entstehen Autor*innen, literarischen Institutionen und Projekten keinerlei Kosten. Die Zurverfügungstellung des Fotos und/oder Logos erfolgt jedoch prinzipiell honorarfrei. Auch das Westfälische Literaturbüro in Unna e.V. als Betreiber der NRW-Literatur-Online-Datenbank stellt potenziellen Nutzer*innen dieses Services keinerlei Kosten in Rechnung. Es wird lediglich ein möglichst einfaches Verfahren angeboten, schnell an Fotos bzw. Logos für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu gelangen. Das Westfälische Literaturbüro übernimmt aus diesem Grunde auch keinerlei Haftung, falls die Download-Fotos/-Logos nicht für den Zweck der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Veranstalter*innen u.ä. genutzt werden.

Pressebild(er)

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Copyright
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Arbeitsproben (1)

 

FARBE DER SCHATTEN

Macht blaues Licht auch blaue Schatten? Träumen Roboter von elektrischen Schafen? Wieso muß ich sogar im Schlaf noch denken. Denken, denken, denken. Immerzu denken! Es ist wahrlich ein Fluch! Erst lerne ich aus Neugierde die Technik des bewußten Träumens, und jetzt läßt es mich nicht mehr los. Keine Pause. Und ewig arbeitet das Neuronennetz. Blitzende Lichter, neurale Energie, und dennoch keine Antworten. Wozu das alles? Es dürfte mich nicht geben. Von den Anfangsbedingungen des Universums bis hin zu mir sinken die Wahrscheinlichkeiten auf Null. Es dürfte mich nicht geben. Niemanden dürfte es geben - gar nichts Lebendiges dürfte existieren. Doch Gott? Der Programmierer der Welt? Gott, der große Manipulator der Stochastik? Surfer auf den wirren Wellen der Wahrscheinlichkeit? Der universale Würfelzinker? Wenn ich so etwas tue, dann werde ich verhaftet. Falschspielen nennt man das dann. Und selbst wenn - das ändert nichts an der Frage nach dem Warum. Warum? Warum? Warum? Vielleicht ist Gott ein dummes kosmisches Kind, dem langweilig war. Vielleicht würfelt Gott sehr wohl. Und die grüne Kuh auf dem Fahnenmast gebiert einen goldenen Delphin. Mehr hat meine Traumphantasie nicht auf Lager? Der Fahnenmast mit der Kuh steht in einer düsteren Nebelbank. Düsternis. Ruhe. Herrliche, wunderbare, kühle Ruhe. Nichts. Alles was ich mir wünsche ist - NICHTS! Über eine halbe Milliarde Mark, und ich wünsche mir nur endlich das absolute NICHTS, das es in keinem Laden zu kaufen gibt. Seelenlose Phantasiegestalten huschen an mir vorbei und fordern mich zu wirren Traumspielen heraus. Nichts mehr, das mich aufregen kann, nichts mehr, vor dem ich mich fürchte. Alles nur Neuronenspiele, virtuelle Illusionen meiner eigenen blitzenden Synapsen. Vielleicht gibt es ja den All-Gott, aber er hat das Universum verlassen, weil er seiner nach so vielen Milliarden Jahren schließlich überdrüssig geworden ist. Vielleicht hat Gott Selbstmord begangen, nur um endlich einmal irgend etwas Neues auszuprobieren. Oder Gott liegt mit göttlichen Kartoffelchips auf der Couch und frißt sich eine göttliche Wampe an. Hihihihihihiii......

"Hallo?"
Eine Stimme kommt aus dem Dunkeln und hört sich gar nicht an wie eine Traumstimme. Es ist eine Stimme, wie ich sie sonst mit meinen Ohren höre. Eine volle, voluminöse, alte aber kraftvolle Stimme. Ich höre Selbstbewußtsein mit einer entfernt paradoxen Spur Unsicherheit. Ich kenne die Stimme nicht. Was soll das jetzt wieder? Wahrscheinlich drehe ich endgültig durch. Mitten im Traum. Vielleicht sterbe ich ja gerade. Auch egal.
"Hallo!? Ist hier irgendwer zu Hause?"
Das hörte sich jetzt leicht ironisch an. Hm.
"Was ist ironisch?"
"Hey - das ist mein Traum! Meine Traumgestalten wissen, was ironisch bedeutet! Meine Traumwesen wissen alles, was ich auch weiß. Also ist das eine sinnlose Frage. Laß dir was besseres einfallen!" Irgendwo hinter mir spüre ich so etwas wie ein Kopfschütteln, aber mir läuft es kalt den Rücken hinunter, denn irgendwie ist das Kopfschütteln nicht meines, nicht das einer meiner Traumgestalten. Und es ist - es ist ganz offensichtlich nicht menschlich...
"Stimmt. Was ironisch ist, weiß ich noch immer nicht, eine deiner Traumgestalten bin ich nicht, und - Mutter Erde sei's gedankt - menschlich bin ich auch nicht. Also - was ist nun ironisch...?"
Das wird jetzt unheimlich. Ich drehe mich um. Eine witzige Vorstellung. Ich bin mein eigenes körperloses, augenloses Selbst in meinem eigenen Kopf, und ich drehe mich um. Und dort steht etwas oder jemand, der aussieht wie, nun, wie ein großer Rabe. Aber er sieht nicht aus wie ein richtiger Rabe. Dieser hier ist bunt. Bunter als jeder andere Vogel, den ich je gesehen habe.
"Wieso überrascht dich das?"
"Äh - also, du siehst so ähnlich aus wie ein Rabe. Allerdings..."
"Ich bin auch in der materiellen Welt bunt. Ich bin der bunteste aller Vögel."
"Nein. Bist du nicht."
"Bin ich doch!"
"Bist du..." aber was soll dieser Scheiß eigentlich. Ich bin wach in meinem eigenen Traum und streite mich mit einem Phantasievogel, den es nicht gibt, darüber, wie er aussieht, wenn ich nicht träume - wenn es ihn gäbe. Was für ein Quatsch.
"Wenn du meinst. Nur soviel: Wir Raben haben andere Augen als ihr Menschen. Du würdest das einen verschobenen Spektralbereich nennen. Wir können im Infraroten sehen, und mit Infrarotaugen sind Raben die buntesten aller Vögel."
"Aha. Und was, mein lieber buntester-aller-Vögel, willst du von mir?"
"Ich will dich warnen! Wir müssen die Erde vor einer schrecklichen Gefahr retten, und du bist vielleicht der einzige, der noch etwas ändern kann!"
Naja. Ich bin nicht der erste, der im Traum von einem Sendboten der Götter heimgesucht wird, der ihm verkündet, er müsse die Welt retten. Meist werden solche Typen von einem unrühmlichen, wenig erstrebenswerten und ziemlich frühzeitigen Ende ereilt. Macht auch nichts. Vielleicht ende ich in einem hübschen privaten Sanatorium und verbringe den Rest meines Lebens bis zum Scheitel abgefüllt mit Thorazin oder irgend einer anderen pharmazeutischen Wunderwaffe. Das wäre es fast wert, wenn dadurch das ewige Grübeln einmal für eine Weile aufhören würde.
"Was ist Sanatorium? Und was ist Thorazin? Hat das etwas mit der fremden Macht zu tun, die euch Menschen unterdrückt?"
"Wie? Oh mächtiger Buntrabe - ihr sprechet in Rätseln." Wieder das raschelnde Kopfschütteln.
"Mensch - du könntest doch wenigstens bitte einmal eine Frage beantworten. Bitte."
"Oha. Ein höflicher Traumrabe. Na - da kann ich wohl kaum nein sagen. Also..."
"Ironie. Ironie zuerst bitte."
"Na gut. Ironie ist, wenn man etwas sagt, was man eigentlich gar nicht meint..."
"Weshalb sollte ein denkendes Wesen so etwas tun?"
"Also..."
"Wenn ein denkendes Wesen etwas sagt, das es nicht meint, dann dachte ich immer, das sei ein Fehler...oder eine Lüge."
"Oha! Hm. Vergessen wir das mit der Ironie."
"Wieso sagst du immer Oha!?"
"Kein besonderer Grund..."
"Oha heißt Familie. Das heißt, Ohana heißt Familie."
"In der Rabensprache etwa?" Langsam wurde das lustig. Lucid Dreaming. Das könnte mein Hobby werden.
"Nein. Auf hawaiianisch."
Jetzt ist es soweit. Ich habe einen schrillbunten Raben in meinem Kopf, der mir sagt, Ohana hieße Familie auf hawaiianisch.
"Und woher weißt du das, mein lieber, höflicher Rabe?"
"Hab Verwandte da..."
Was Freud dazu wohl sagen würde...
"Wer ist Freud?"
Jetzt reicht es mir! Verfluchte Scheiße, Scheiße, Scheiße! Ich habe keine Lust mehr. Ich will schlafen...will in Ruhe gelassen werden. Keine Gedanken mehr! Keine Menschen! Und auch keine verfluchten Vögel in meinem Kopf. Auch keine bunten, und wenn sie noch so höflich sind...
"Bitte - hör mir zu..." Jetzt klingt die Stimme bettelnd, fast verzweifelt. Also höre ich zu. Schließlich war ich früher einmal wohlerzogen.
"Es ist ungeheuer wichtig", beschwört mich der seltsame Gast in meinem Kopf. "Es geht um das Leben. Um die Zukunft. Um Tod und Verderben. Um eine fremde Macht, die euch Menschen beherrscht...und euch dazu zwingt, Schreckliches zu tun."
"Hört sich ziemlich bekannt an. Nur das mit der fremden Macht ist mir neu."
"Doch! Das ist das Wichtigste. Es muß eine unbekannte Macht geben, die euch Menschen dazu bringt, so zu leben, wie ihr lebt und so zu handeln, wie ihr handelt."
Jetzt war es an mir, den Kopf zu schütteln.
"Gewagte Theorie! Ich habe immer gedacht, wir wären ein verrotteter Pesthaufen, der irgendwie aus der Hölle entwischt ist."
"Ja! So etwas ähnliches hatten alle Lebewesen vermutet, aber es scheint, als wären die Menschen unschuldig! Als könntet ihr nichts für all die schrecklichen Verbrechen gegen die Vernunft, gegen die Nahrungskette und die Seele der Welt, die ihr ständig begeht!"
"Und was soll sie nun sein, deine geheimnisvolle Macht, die uns Menschen angeblich so fest im Griff hat?"
"Was sie ist und wie sie wirkt, weiß ich noch nicht, aber ich versichere dir, sie ist real! Du scheinst ihr allerdings nicht erlegen zu sein, oder nicht völlig."
"Ich versteh kein Wort, von dem, was du da redest. Laß mich vielleicht doch besser einfach schlafen, okay?" Der Rabe breitete seine opalisierenden Schwingen aus. "Geld!" sagte er feierlich, so als hätte er damit die Antwort auf alle Fragen des Universums zugleich verkündet. Was sollte das nun wieder?
"Geld - und weiter?"
"Geld ist die unheimliche, fremde Macht, die das gesamte Verhalten der Menschen kontrolliert, die sie zwingt, ihrer Heimatwelt und sogar sich selbst fassungslose Schmerzen zuzufügen."
"Nun ja - das ist wohl wahr, aber Geld ist sicherlich keine fremde Macht."
"Das muß es aber sein! Wir finden keine Spur davon, obwohl wir wissen, daß die Macht existiert. Es muß etwas sein, das nur auf Menschen wirkt. Und es muß etwas von außerhalb der Erde sein, denn sonst wären die unermeßlichen Zerstörungen an der Natur nicht zu erklären. Ihr Menschen wart doch Millionen von Jahren lang ein Teil von uns!"
"Die Dinge ändern sich nun einmal."
"Aber wieso..."
"Laß mich dir nur eins sagen: Das Geld ist eine Erfindung der Menschen."
"Das glaube ich nicht."
"Das ist auch nicht nötig. Du kannst ja meine Gedanken lesen. Das Geld ist eine Erfindung der Menschen."
"Wozu sollte das wohl gut sein?"
"Ah - es war früher einmal recht nützlich. Aber wie so viele komplizierte Erfindungen hat es sich irgendwann selbständig gemacht."
"Aber was ist Geld?"
"Das ist keine leichte Frage. Es ist eigentlich ein Hilfsmittel, um Tauschgeschäfte leichter zu machen. Man tauscht Symbole aus anstatt wirklicher Dinge." Der Rabe ist plötzlich wie vom Donner gerührt und wird ganz dünn vor Schreck.
"Symbole statt Dinge. Oh große Erdgöttin!. Das erste Gesetz! Ihr habt gegen das allererste Gesetz der Nahrungskette verstoßen!"
"Und was, bitte, ist das allererste Gesetz der Nahrungskette?"
"Töte niemals mehr als du fressen kannst."
"Hm. Nicht sonderlich überraschend."
"Ja - und wenn ihr Symbole tauscht statt Waren, dann könnt ihr - symbolisch gesehen - beliebig viel fressen. Ihr freßt zwar nicht wirklich, aber die Welt wird dennoch wirklich getötet."
"Gut erkannt. Woher diese plötzliche Einsicht?"
"Das haben Menschen schon früher getan. Zum Beispiel auf einer Insel im großen Meer. Dort waren es gewaltige Steinstatuen, die getauscht wurden. Auch das waren nur Symbole ohne eigenen Wert. Die Menschen fingen an, ihr ganzes Leben auf die Vermehrung ihrer wertlosen Symbole auszurichten. Irgendwann war alles andere weg, und es gab nur noch die Steinsymbole. Fast alle Pflanzen, fast alle Tiere vernichtet, und auch die meisten Menschen verhungerten elendig, und die wenigen Überlebenden erlebten Jahrhunderte der Grauens."
"Aber das war auf einer Insel. Ohne Kontakt zur Außenwelt." Wäre der bunte Rabe ein Mensch, dann würde er jetzt wohl mit seinem Zeigefinger vor meiner Nase herumwedeln. So wird er jedoch nur noch ein bißchen dünner, was ihm ein entschieden ärgerliches Aussehen verleiht. Er wackelt energisch mit dem Kopf. Nebelschwaden wirbeln um ihn herum. Erstaunlich realistisch, so ein Traum. Da kommt noch kein Cyberspace mit.
"Du, du Mensch, du! Die Erde selbst ist auch nur eine isolierte Insel im Nirgendwo! Alles, was wir zum Leben brauchen, kommt von ihr. ALLES! Weshalb muß man jemandem so etwas Einfaches erklären?"
Ja - das ist wohl eine gute Frage. Wieso muß man Menschen immer die allereinfachsten Dinge haarklein auseinandersetzen? Menschen merken sich immer nur das, was ihnen Spaß macht und ihre Hormone in Aufruhr bringt. Oder was ihnen Geld bringt. Bloße Symbole ohne realen Gegenwert als Lebensinhalt. Das macht uns wohl zu Lebewesen ohne realen Gegenwert. Mein millionenschwerer Geldsack und ich. Der Geldsack wird auf Hollywoodparties eingeladen und nicht ich. Ich bin nur das unwichtige, austauschbare Symbol, das den Geldsack repräsentiert. Das Geld - als Tauschsymbol erfunden - verwandelt uns selbst in nichts als austauschbare Symbole. Wenn ich jemand anderem meinen Geldsack schenke, dann schüttelt der anschließend die Hand der Queen, die ja wiederum auch nur ein Symbol ist. Dieser Traumrabe hat all das besser durchschaut als jeder Politiker oder Konzernmanager. Selbst die Mehrzahl der Wirtschaftsprofessoren an den Universitäten der Welt glauben, Geld sei irgend etwas Bedeutendes. Manche denken sogar, Ökonomie sei eine reale Wissenschaft. Unfaßbar.
"Ich glaube", höre ich mich sagen, "Menschen sind einfach nur ziemlich beschränkt."
Der Rabe kratzt sich hinter dem Auge und starrt mir direkt ins Gesicht. Er wirkt jetzt riesig und auch ein wenig bedrohlich.
"Das", sagt er "ist nun wirklich die dümmste aller Ausreden."
"Ich sagte doch, wir sind dumm - dann werde ich doch wohl eine dumme Ausrede benutzen dürfen."
"Nein. Absichtliche Dummheit ist nicht gestattet. Das ist gegen die Natur. Die Natur hat sich so viel Mühe gegeben, euch Verstand zu geben. Wenn ihr euren Verstand nicht nutzt, dann beleidigt ihr sie."
"Na - ich denke, das wird den meisten Menschen scheißegal sein. Den meisten Menschen ist sowieso überhaupt alles scheißegal. Sie denken nicht gerne an unangenehme oder schwierige Dinge. Und sie denken nicht gerne daran, daß sie auch nur Tiere sind. Deshalb sind sie meist nicht mehr damit zufrieden, wenn sie gut und regelmäßig ficken, pissen, scheißen, fressen und saufen können."
"Nur Tiere?" Ich spüre verblüffte Verständnislosigkeit auf Seiten des Vogels. "Was sollten die Menschen denn bitte sonst sein? Und was ist der Besitz von Dingen anderes als symbolisches Fressen?
Götter. Die Hälfte der Menschheit denkt, wir sind Götter. Das wird uns von Kindesbeinen an eingeimpft." Der Rabe hört sich plötzlich an, als würde er gleich ersticken. Mit weit geöffnetem Schnabel röchelt er und gibt Töne von sich, die wie Rog! Rooog! klingen. Noch eine Neuerung. Wer hätte schon vermutet, daß Raben lachen könnten.
"Oh arme, arme kleine Menschentiere", meinte der Rabe schließlich kopfschüttelnd, "ihr habt den Platz an der Spitze der Nahrungskette wirklich nicht mehr verdient. Ihr bringt nicht einmal euch selber Respekt entgegen. Götter. Das ist ein guter Witz. Es gibt keine Götter in diesem Sinne! Es gibt nur die Realität - die Natur. Das Netz des Lebens. Die Erdmutter. Die Sonne. Das Meer. Die Nahrungskette mit ihren Myriaden von Lebewesen und die kosmischen Kreisläufe der Dinge. Nur das gibt es. Götter gibt es nur in den verwirrten Windungen eurer einsamen kleinen Köpfe. Immer nur Symbole. Es sind eure Symbole, die euch und die ganze Welt kaputtmachen. Dabei gibt es noch einige wenige Menschen, die vom großen Kreislauf und vom Netz der Dinge wissen. Früher kannten alle Menschen doch auch die Weltseele, die große Verbindung aller lebendigen Wesen. Und all das gebt ihr auf für ein lächerliches, vergängliches Symbol?" Der Rabe weicht angewidert von mir zurück, und ich komme mir klein und schmuddelig vor. Mir fällt keine Verteidigung ein. Wer bin ich wohl, daß ausgerechnet ich die Menschheit verteidigen soll - ich, der längst jeden Versuch aufgegeben hat, sie zu verstehen. Die Stimme des Raben ist nicht mehr so freundlich. Sie hört sich dunkel und hallend an, so, als käme sie aus einem tiefen Brunnenschacht.
"Ihr lügt und ignoriert, ihr tötet und mordet und schlachtet und quält und vernichtet die ganze Welt für nichts weiter als Symbole? Dann muß überlegt werden, ob ihr ein Recht noch habt zu sei."

Aus: Rabenwelt.


Geboren 1967 in Selm. Abitur 1988, anschließend ein Semester Studium der Volkswirtschaft in Münster, dann Wechsel zur Fächerkombination Astronomy, Geographie, Physik. 1993 Einstufungsprüfung zu Promotion in Astronomie. Wegen drohender Schließung des Institutes 1994 Wechsel in die USA (Hawaii) dort Fortsetzung des Studiums – Geographie mit Schwerpunkt Meereskunde sowie Astronomie, aber auch Theaterwissenschaften und „Creative Writing“. Magisterarbeit über die geographischen und astronomischen Kenntnisse der alten Hawaiianer. Zwischenzeitlich Bachelor of Science der Universität des Staates New York. 1997 Promotion in Astronomie mit einer Dissertation zum Thema „Stabilitätsfaktoren Planetarer Ökosysteme“ (Honolulu). 1998 u. a. zusätzlich MA in Geographie der Universität London (Analyse der Effektivität lokaler Klimapolitik).
Im laufe der Jahre diverse freiberufliche und selbständige Tätigkeiten: EDV-Berater, Import/Export im EDV Bereich, wissenschaftliche Beratungen vor allem in den Bereichen Zukunft, Umwelt und Entwicklung für Verlage, Politik, Autoren, Funk und Fernsehen; freier Autor und Journalist, technischer Übersetzer.

Rabenwelt. Mindquest: Selm 1999.

Diverse Sendungen zum Thema Wissenschaft und Science Fiction 2003.

Startklar. Co-Autor. Uraufführung Lünen: Hilpert Theater 2002.

In Vorbereitung: Der Vierte Affe. Wie wir heute denken müssen, um morgen zu überleben. Beustverlag: München.
Genterror und Lebenspatente. Grüne Kraft: Lörbach 2002.
Das verbotene Buch – Marktwirtschaft und Zensur im Jahr 2000. MindQuest: Selm 1999.
Climate Poker – a journey to our Precious Planet. MindQuest: Selm 1998.
Star Trek Science – Die Zukunft hat schon begonnen, ECON: München 1997.

Beiträge in Zeitschriften:
Raytracing Trap. In: c't Magazin für Computertechnik 1995.
Kontaktprobleme; Noch eine Chance. In: Gnomes & Galaxies 1989.

Beiträge in Anthologien:
Wann ist Wissenschaft legitim?; Interstellare Fernerkundung und Suche nach Leben im All. In: Erich von Däniken (Hg.): Jäger verlorenen Wissens - auf den Spuren einer verbotenen Archäologie. Kopp: Rottenburg 2003.

Auskunft Autor

Aktualisiert 05.07.2021