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Ulrich Th. Rath


Ulrich A. Schmidt © privat
Ulrich A. Schmidt
Ulrich Th. Rath
1952
Wanne-Eickel
Castrop-Rauxel
Ruhrgebiet
Hellweg, Münsterland, Ruhrgebiet, Westfalen komplett
Prosa, Thriller/Kriminalroman, Kinder-/Jugendbuch, Sachbuch
Ja
Amtstraße 45
44575 Castrop-Rauxel
02305-442586
0152-36319189

Arbeitsproben (1)

 

Aus: DIE SPUR DER SAVANTS

Aber zunächst zurück zu Pätzold. Dieser war nicht lange bei der Polizei festzuhalten gewesen. Ein Anwalt war nach zwei Stunden aufgelaufen, hatte sich beschwert über das Vorgehen gegen einen Unschuldigen, der lediglich eine Tür verwechselt habe. Verwertbares lag gegen den Mann nicht vor und so war der Anwalt schließlich mit Pätzold abgezogen.
Vor dem Gebäude stand die noble Edelkarosse des Anwalts – seine Praxis musste ausgezeichnet gehen – und sie waren ein Stück aus der Stadt herausgefahren. Der Anwalt tadelte Pätzolds Vorgehensweise als ungeschickt und trampelhaft; man sei sehr unzufrieden mit seiner Vorgehensweise. Das Letzte, was man gebrauchen könne, sei eine zusätzliche Aufmerksamkeit auf den Fall Brann. Es sei leider sehr unglücklich gelaufen, erklärte Pätzold. "Aber ich glaube, ich bin doch ein Stück weitergekommen. Ich denke, diese russische Ärztin bedauert es schon, dass sie mich so schlecht behandelt hat. Haben eben ein großes Herz, diese Matruschkas!" Sie habe ihm jedenfalls – bewusst oder unbewusst – einen Tipp gegeben, wo er die gesuchten Unterlagen finden könnte. Im Stillen betrachtete er Abendschins Hinweis auf das Archiv im Keller als eine Art von Wiedergutmachung. Wahrscheinlich, so setzte er für sich hinzu, gehe von ihm immer noch eine gewisse Wirkung auf Frauen aus.
Pätzold war gekränkt über die Zurechtweisung des Anwalts und deshalb wild entschlossen, seinen Fehler wieder gutzumachen. Außerdem dachte er nicht daran, sich mit dem Wenigen abspeisen zu lassen, das ihm seine Auftraggeber zu überlassen gedachten. Jetzt würde er diesen arroganten akademischen Pinkels zeigen, dass eiskalte Entschlossenheit und zupackendes Auftreten wichtiger waren als die klugen Sprüche, mit denen sie ihm den Auftrag übergeben hatten. Und er wusste, dass hier viel mehr zu holen war als die paar Tausend Euro, die man ihm versprochen hatte. Zwar hatte er nicht den Schimmer einer Ahnung, worum es eigentlich ging, aber sicher waren damit die Millionen zu verdienen, die er als seinen gerechten Anteil an der Welt eingeplant hatte.
So besorgte er sich in einem Baumarkt Brechstange, Zange, einen stabilen Schraubendreher und anderes Werkzeug, das ihm nützlich erschien. Am späten Nachmittag betrat Pätzold dann die Klinik durch den Haupteingang, seine Werkzeuge führte er in einer Jutetasche mit sich. Er begab sich in die Cafeteria, wo er bei Kaffee und Cognac den nächsten Schichtwechsel abwartete. Es war weit nach 20.00 Uhr, als er sich auf den Weg in Richtung Archiv machte. In der Empfangshalle studierte er die ausgehängten Fluchtwegepläne und betrat dann den Aufzug. Er fuhr zunächst nach oben, um dann, als er ganz allein in der Kabine war, den Knopf für das Kellergeschoss zu drücken. Hier angekommen, zog er einen Monteursanzug über, versehen mit dem Namensschild einer größeren Installationsfirma, deren Namen er aus dem örtlichen Telefonbuch herausgesucht hatte.
In dieser ‚Tarnung’ begann er seinen Forschungsgang durch das Kellerlabyrinth des Krankenhauses. Wie er sich ausgerechnet hatte, war im Kellergeschoss um diese Tageszeit kein Personal mehr anzutreffen. Die Kellergänge waren in diskrete Dunkelheit getaucht. Pätzold hatte zuerst das Ganglicht gedrückt, aber später wieder ausgeschaltet. Besser, er orientierte sich mit seiner Taschenlampe. Als er dann auch noch die Überwachungskameras unter der Decke erblickte, hätte Pätzold sich wegen seiner Cleverness fast selbst auf die Schulter geklopft. Er war sich nicht sicher, ob sie in dem stark abgedunkelten Flur überhaupt etwas erkennen konnten, aber vielleicht waren es ja Infrarotgeräte, außerdem benutzte er eine Taschenlampe. Er zog jedenfalls die mitgebrachte Sprühdose heraus und setzte die Kameras mit zwei gezielten Farbspitzern auf die Linse außer Betrieb. Niemand würde wissen, wer hier eingedrungen war. Und wenn jemand käme, würde er sich wehren können. Schon einmal hatte er sich mit einem gezielten Schlag einer unbequemen Person entledigt, ohne dass es irgendwelche Folgen gehabt hätte. Innere Blutungen? Niemand hatte ernsthaft nachgefragt beim Tod der Säuferin, die ihn schon viel zu lange als Lebensgefährtin genervt hatte.
Die ausgehängten Fluchtpläne boten ihm eine nützliche Orientierung. Mit ihrer Hilfe stand er schon bald vor einer gut gesicherten Stahltür, die in ihrer abweisenden Stärke darauf hinwies, dass dahinter zu schützende Räumlichkeiten verborgen waren. Pätzold untersuchte die Schließvorrichtung und stellte fest, dass sie in ihrer simplen Ausführung in deutlicher Diskrepanz zu der Massivität der Tür standen. Er jubelte innerlich darüber, dass er sich auf das Abenteuer eingelassen hatte: Wenn er hier die gewünschten Unterlagen fand, dann war das sein großer Coup. Und er musste sie jetzt finden, da war er sicher. Denn gewiss würden die Ärzte im Krankenhaus bald feststellen, welchen Wert diese Daten hatten. In seiner Fantasie hatte er sich auch eine plausible Erklärung zusammengereimt: Dieser Brann musste Zugang zu irgendetwas Wertvollem haben, ein verborgener Schatz, eine geheime Information oder so etwas Ähnliches. Während des Aufenthalts im Krankenhaus hatte er dann sein Geheimnis gelüftet, vielleicht aus Versehen im Schlaf gesprochen.
Pätzold machte sich an der Tür zu schaffen. Es war nicht ganz einfach, aber er hatte durchaus Erfahrungen. Des Öfteren hatte er zugesehen, wie Türen geöffnet wurden und nun konnte er sein Wissen anbringen. Pätzold grinste zufrieden. Er war sich sicher, dass er mit diesem einfachen Einbruch endgültig die Niederungen des erbärmlichen Lebens verlassen würde, das er notgedrungen als kleiner Betrüger zu führen gezwungen war. Er wusste, dass die Unterlagen bares Geld wert waren und endlich hielt er einen Glückszipfel in der Hand. Ab jetzt würde er nicht mehr der kriechende Hund sein, sondern er würde sich an den Jet-Set-Stränden dieser Welt verwöhnen lassen. Aber zunächst musste er noch einige Minuten vorsichtig und möglichst geräuschlos herumprobieren, bevor die Zylinderzunge leise knackte. Er beglückwünschte sich zu seinem Geschick. Vorsichtig drückte er die Tür nach innen auf. Beflügelt von seinen erhebenden Gedanken und Vorstellungen sah er sich bereits im Strandstuhl eines Nobelhotels liegen, verwöhnt von …
Der hinter der Tür verborgene Raum stürzte auf ihn ein und holte Pätzold in die Realität zurück. Zunächst war es stockdunkel. Darum beeilte er sich hineinzuschlüpfen und schloss die Tür hastig hinter sich. Während diese nun ins Schloss fiel, stieg ihm plötzlich ein betäubender Gestank in die Nase. Er hastete nach dem Lichtschalter, wobei er beim Aufsetzen seines Fußes auf ein weiches Etwas stieß, das sich mit einem Fauchton davonmachte. Pätzold war dermaßen überrascht von der Begegnung mit der Ratte, dass er seine Bewegungen unterbrach und ins Stolpern geriet: Er fiel und im Fallen bemerkte er, wie er über ein in Kniehöhe gespanntes Stahlseil stolperte. So stürzte Pätzold über eine absperrende Brüstung in das dahinter liegende Becken, das seit der Bemerkung eines Professors im Krankenhaus auch als "Scheißarchiv" bekannt war. Das Becken war über zwei Meter tief und hatte glatte steile Seitenwände, schließlich war nicht vorgesehen, dass jemand darin baden würde. So war es auch schon einigen Ratten zum Verhängnis geworden, deren Kadaver dann in der Filteranlage landeten und dort Alarm auslösten. Pätzold tauchte prustend aus den braunen Fluten wieder auf und erkannte mit einem Horrorgefühl, wo er gelandet war.
Seine Laune besserte sich keineswegs, als er zwischen seinen Zähnen die faserigen Reste von Papier spürte. An seine Lippen drängten sich auch ekelig weiche Partikel, die er unschwer zu identifizieren vermochte. Mühsam hielt er sich über – so sagt man wohl – Wasser, aber seine Kleidung zog ihn schwer nach unten. Er bemühte sich, an den Beckenrand zu gelangen, doch der war hoch, glitschig und bot keine Angriffsmöglichkeit für seine Hände. Wäre er einigermaßen systematisch vorgegangen, so wäre er schließlich auf die Stufen gestoßen, die zu Revisionszwecken an den Beckenrändern angebracht waren. Pätzold konnte aber in seiner Panik nicht mehr systematisch denken; derart verbrachte er sein letztes Stündchen so, als sei es das Symbol für sein ganzes Leben.
Der Gerichtsmediziner jedenfalls, der die wenig appetitliche Aufgabe hatte, den Toten zu obduzieren, berichtete später in seiner unnachahmlich drastischen Art, Pätzold sei das erste seiner Sezierobjekte, das "vom Mund bis zum Arsch mit Scheiße gefüllt" gewesen sei.


Ulrich A. Schmidt alias Ulrich Th. Rath erblickte 1952 geboren, ca. 300m vom geografischen Mittelpunkt des Ruhrgebiets entfernt, das damals noch Ruß-verhangene Licht der Welt. Nach dem Abitur am Herner Pestalozzi-Gymnasium studierte er - wo denn sonst - in Bochum: In Germanistik und Geschichte legte er sein Staatsexamen ab, 1985 wurde er zum Dr. phil. promoviert. Seine Dissertation wurde 1985 mit dem Preis der Ruhr-Universität ausgezeichnet. Er arbeitete u.a. in Herne, Bochum, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen. Um auch die Welt jenseits des Potts kennenzulernen, übernahm er Lehrtätigkeiten an der Universität in Bari/Italien und an der Moskauer Staats-Universität.
Als Spezialist für Sprache und Kommunikation gründete er 1998 in Dorsten das BewerbungsCentrum, wo er in  den folgenden 12 Jahren mehr als 2.000 Dorstener in allen Facetten der Bewerbung betreute. 2010 geriet er in den Strudel der Insolvenz und musste seinen Betrieb aufgeben. Seine Erfahrungen als Bewerbungsberater hat er 2020 in seiner "Bewerbungsfibel 2020" gebündelt.
Seither hält sich Schmidt als Deutschlehrer über Wasser. Außerdem ist er als Essayist und Schriftsteller aktiv. Für namhafte Lexika-Verlage verfasste er kulturwissenschaftliche und historische Essays. Über "Hitler und der II. Weltkrieg" legte er 2019 eine Essay-Sammlung vor. Unter dem Pseudonym Ulrich Th. Rath verfasst er belletristische Werke (Kinder-/Jugendromane) sowie Wissenschaftsthriller. Sein Augenmerk gilt insbesondere den autistisch-Sonderbegabten ("Savants"). Dabei kann er sein Metier als Linguist und Historiker genauso wenig verleugnen wie seine Ruhrpott-Herkunft.
Ulrich A. Schmidt al. Ulrich Th. Rath lebt mit Frau und zwei Kindern im idyllischen Castrop-Rauxel. Wenn er nicht gerade ein Buch schreibt oder Ausländern die Schönheiten der deutschen Sprache nahebringt, dann ist er im Garten zu finden. Er ist dann vielleicht auf der Suche nach verscharrten Leichen, vielleicht baut er aber auch ein neues Häuschen - am liebsten in Fachwerk.

1985: Preis der Ruhr-Universität Bochum

Beutejagd am Lippekanal. Das Gedächtnis der Savants. BoD: Norderstedt 2019 (veröffentlicht unter dem Pseudonym Ulrich Th. Rath).
Die Spur der Savants. Assoverlag: Oberhausen 2011 (veröffentlicht unter dem Pseudonym Ulrich Th. Rath).

Klingelbein. Geschichten von der Hexe Bobobo. Mit Bildern von Annika Magiera. BoD: Norderstedt 2019 (veröffentlicht unter dem Pseudonym Ulrich Th. Rath).
Benjamino und die Leonardo-Maschine. Mit Bildern von Sylvia Gaida. BoD: Norderstedt 2019 (veröffentlicht unter dem Pseudonym Ulrich Th. Rath).

Kleine Bewerbungsfibel 2020. Ein Vademecum im Bewerbungsdschungel. BoD: Norderstedt 2020.
Hitler und der Zweite Weltkrieg. Eine lange Vorgeschichte. BoD: Norderstedt 2019.
Impersonalia, Diathesen und die Deutsche Satzgliedstellung. Brockmeyer: Bochum 1987 (Dissertation).

Sprachwissenschaftliche Veröffentlichungen (in Auswahl)
Hängematte. In: Eingewanderte Wörter: Eine Auswahl der interessantesten Beiträge zur internationalen Ausschreibung "Eingewanderte Wörter" von Jutta Limbach. Hueber: München 2008.
Kompetenz in der Wortbildung. Beckmesserische Anmerkungen zu einer Marginalie. In: Lingua et Linguae. Festschrift für Clemens-Peter Herbermann zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Ulrich Hermann Waßner. Shaker: Aachen 2001 (Bochumer Beiträge zur Semiotik. Neue Folge 6).
Bewerbung und Vorstellungsgespräch aus dialoglinguistischer Sicht. Einige Vorbemerkungen zur Aufarbeitung eines von der Linguistik vernachlässigten Arbeitsgebietes. In: Linguistik-online.de. 5/2000.
Vademecum für das Studium der Germanistischen Linguistik. Hrsg. vom Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Selbstverlag: Bochum 1996; ²2000 (Bearbeiter).
Qualifizierung zum Umweltberater: Management und Organisation von Postgraduierten-Lehrgängen an einer Volkshochschule. In: Depesche des Landesverbandes der Volkshochschulen NRW H. 3, 1995.
Zur Syntax und zur Textologie der Kompositabildung in der fachsprachlichen Lexik dargestellt anhand von geisteswissenschaftlichen Texten. Gem. mit T. Judina. Teil I. In: Russkij philosologitscheskij westnik. Moskau 1995.
Zahlwort und Zahl in Sprache und Text. In: Text und Grammatik. Festschrift für Roland Harweg zum 60. Geburtstag. Hrsg. von P. Canisius, C.-P. Herbermann, G. Tschauder. Brockmeyer: Bochum 1994.
Kommentarbände Bd. 7, 7E, 8, 8E zum Lesebuch "Ansichten". Hrsg. von Baumgärtner - Röhm - Schober - Thiemermann. Ferdinand Kamp: Bochum 1981.
Universali linguistici e singola lingua naturale. In: Annali della Facoltà di Lingue e Letterature Straniere di Bari. Bari 1988.

Lexikalische Essays
Nie wieder Krieg. Deutsche Post 2014 (102 Beiträge).
Chronik des Rätselhaften. Bd. 2: Legenden, Mythen, Mysteriöses. Bertelsmann Lexikon Institut: Gütersloh/München 2012 (11 Beiträge und Lektorat).
Chronik des Rätselhaften. Bd. 1: Leben, Erde, Kosmos. Bertelsmann Lexikon Institut: Gütersloh/München 2012 (11 Beiträge und Lektorat).
Horizonte. Der Kampf um die Freiheit. F.A. Brockhaus: Gütersloh/München 2012 (Koautor, 16 Beiträge und Lektorat).
Spektrum. Paare, Partner, Kontrahenden. Die Macht der Gefühle. F.A. Brockhaus/wissenmedia: Gütersloh/München 2012 (Koautor, 29 Beiträge).
Horizonte. Die Vermessung des Glücks. F.A. Brockhaus: Gütersloh/München 2012 (Koautor, 3 Beiträge und Lektorat).

Auskunft Autor

Aktualisiert 04.07.2021