Arbeitsproben (6)
NEWS
das Wort
ist nicht Fleisch
geworden.
Die frohe Botschaft
wird täglich zurückgenommen.
An ihrer Stelle:
Fleisch und
Worte,
verscharrt und
vergessen
noch vor dem Ende
der Übertragung.
ALLES BLEIBT BEIM ALTEN
Was wird sich ändern?
Nichts wird sich ändern.
Alles bleibt beim alten.
Alles muß sich ändern.
Was wird sich ändern?
Alles muß sich ändern.
Nichts wird sich ändern
Alles bleibt beim alten?
Was wird sich ändern?
Nichts wird sich ändern.
Alles muß sich ändern.
Alles bleibt beim alten...
ATEMLOSE SCHWALBE
temlose Schwalbe,
zauberst beschwingte
Schwalbenmärchen
ins atmende Blau.
Schenk mir,
bevor du verstummst,
bitte
das glückliche Ende.
Aus: Schattentage-Lichtjahre.
Aus: TAOMINA
Gib den Dingen
hinter den Dingen
Namen.
So werden sie
zu den Dingen
vor den Dingen.
Laß den Dingen
hinter den Dingen
ihre Namenlosigkeit.
So werden sie nicht
vordergründig.
Suche deinen Namen.
Benenne dich neu.
Stelle die Frage.
Erinnere dich:
"Wer die Frage nicht beantwortet,
hat die Prüfung bestanden."
TÜRKISSCHES VERGNÜGEN
Ich suche Nuancen einer Farbe, die ich sehe und nicht benennen kann: Grün-türkises Himmelblau, abendschwarzgepunktet mit einem Schuß Petrol. So ähnlich und das in einem Wort. ich frage den Computer und sein Schätzchen, den Thesaurus, um Rat
Türkis??
Er schreibt mir stattdessen ein alliteratives Gedicht mit kühner Kombination von modernistischer Montage und Raunenden Stabreimen:
Türkisches Weizen
Türklinke
Türpfosten
Türrahmen
Türstock
Türvorlage
Türvoleger
Tüte.
Ich verstehe intuitiv die Intention, östlich inspiriert: Mein Weizen wird dann blühen, wenn ich nicht mehr im Tran vor der Tür "verligge", sondern das Offenkundige, die "Vorlage" so nutze, daß sich das zu Händen Seiende als Lichtung ereignet, die Türe sich öffnet, und ich mich über die Schwelle entwerfend überschreite ins Offene.
Cool, der Apple. hätte ich nicht erwartet.
Das mit der Tüte ist zwar nicht ganz unberechtigt, aber doch reinster Grobianismus. So einfach und natürlich ist für unsereins das Spirituelle heutzutage auch nicht mehr.
Na, gut! Mein Gedicht über den Himmel schreibe ich morgen, wenn Fluß und Firmament wieder ihr blaues Spiel beginnen. Der Apfel kommt mir gar nicht in die Tüte.
Aus: PRATO LUNGO
Lichtdecke
auf die Hügel geworfen.
Ungetrennt zwischen Sandfarben
und Orangenstein
hält sie
gebrannte Siena.
Begreifbar
die Vertikale der Nähe.
Stillstehender Ort
Kleiner Wimpernschlag.
Vita
Geboren am 26. Dezember 1943 in Schwarzengrund/Schlesien. Karl Wollf verließ nach Kindheit und Jugend in Thüringen 1961 die DDR. Anschließend Studium der Slavistik, Germanistik und Philosophie in Marburg und Tübingen. Studienreferendariat in Stuttgart und Lehrer in Böblingen. Von 1975 bis 1995 Lehrer am Städtischen Gymnasium in Ahlen/Westfalen. Er lebt seit 1974 in Münster. 1988 Mitbegründer der Gesellschaft zur Förderung der deutsch-russischen Beziehungen Münster/Münsterland.
Karl Wolff organisiert Konzerte russischer Rockgruppen, Austellungen russischer Künstlerinnen und Künstler, Lesungen russischer Autorinnen und Autoren. Er schreibt Lyrik und übersetzt russische Lyrik und Prosa.
Lyrik
Taomina. Edition Thaleia: St. Ingbert 2001.
schattentage-lichtjahre. Piotrowski: Harsewinkel 1995.
Funk
Puschkin ist kein Wodka oder Warum Nabokow auf Schmetterlingsjagd ging. Bilinguale Collage. Radio "Stimme Russlands": Moskau August 1999.
Fernsehen
Übersetzung des Dokumentarfilms "Der Enkel Stalins" des russischen Regisseurs Alexander Franzkievitsch 1997.
Bühne & Drama
Puschkin ist kein Wodka oder Warum Nabokow auf Schmetterlingsjagd ging. Bilinguale Collage. Transit Theater Münster in Münster, Berlin, Recklinghausen, Bocholt.
Sonstige Veröffentlichungen
Lieder für die Berliner Sängerin Christine Ehlers (CD-Fassung).
Nachdichtungen:
Boris Grebentschikow "Aquarium" (u.a. auf der CD Territory und im Internet: www.com.to/aquarium-in-germany).
Texte der Petersburger Frauenband Kolibri.
Texte des russischen Liedermachers Oleg Mitjaew.
Quellenangabe
Auskunft Autor, Eigenrecherche