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Guy Helminger


Guy Helminger © privat
Guy Helminger
1963
Esch-sur-Alzette (Luxemburg)
Köln
Köln
Rheinschiene, Rheinland komplett
Prosa, Lyrik, Funk, Bühne/Drama

Arbeitsproben (3)

 

ZEITLOSES

Das Begräbnis öffnete die Tore
und einen Raum lang sahen wir

die Wände der Zeit. Der Tote lag
auf einem Tisch aus gepressten

Minuten und wir verstanden:
niemandem werden die Tage

davonlaufen Unter der Erde falteten
die Maulwürfe die Nacht zu

schwarzen Seiten manche davon
zu Spannlaken für die durchgelegene

Rückenansicht der Waldböden
Die Dauer aber stand als Tanne

neben der Trauerhalle und ging
langsam in eine Birke über

Aus: Die Tagebücher der Tannen. Edition Rugerup: Berlin 2018.


VERSUCHE

Das Erste das wir fanden waren Begonien
der Black Box sepiafarbene Verse
Schiefblattgewächse deren Rhetorik an
Murmelrollen erinnerte

Im Jahr darauf zerkauten die Bienen den
Sommer in ihren Wohnungswaben Wir
drangen in den Stock und füllten das Licht
in unbeschriftete Gläser
Auch die Luxemburger Nationalbibliothek
kaufte eins davon

Irgendwann kam uns die Idee die Augen zu
öffnen:

Auf der Wiese wuchs die Sonne als Strauch
Es war eine Explosion von
Begriffsmigränen und Blütenstaub Ameisen
trugen die grellen Blätter in den Wald So
entstand diese Lichtung auf der wir
unsere saftigsten Gedichte schrieben

Aus: Die Tagebücher der Tannen. Edition Rugerup: Berlin 2018.


EIN ERKÄLTETER MORGEN

schleppt sich über den Holzsteg in
Harlingen rudert übers Meer in der

Hoffnung schon bald den Horizont
zu erreichen Die Schwarzkopfmöwen

schneiden Segel an die Masten Wenn
die Schiffe den Hafen verlassen wird

der Himmel aus wenigen Stoffresten
bestehen und wir werden uns an den

Angelruten festhalten und dort hinein
schauen wo die Toten ihren Knochen

beraubt sind Frage: Was würdest du
mitnehmen aus einem

überschwemmten Haus? Antwort:
Die Überschwemmung

Aber mittlerweile sind wir reich genug
und haben die Austern angewiesen

Pfennige statt Perlen zu produzieren

Aus: Die Tagebücher der Tannen. Edition Rugerup: Berlin 2018.


Geboren 1963 in Esch / Alzette (Luxemburg). Guy Helminger studierte Germanistik und Philosophie in Luxemburg, Heidelberg und Köln. Seit 1985 lebt er in Köln und arbeitet als freier Autor.
Im Juni-Juli 2006 war er als Stadtschreiber in Hyderabad (Indien) tätig, im Februar-März 2007 hielt er sich in Teheran im Rahmen des Projektes "westöstlicherdiwan" auf, im Dezember-Januar 2008-2009 war er author in residence in Saana (Jemen) und 2015 in Südafrika. 2016 nahm er am Kunstprojekt "Transformation und Identität - Trauma und Versöhnung" in Myanmar teil und 2018 auf Bali am Gong-laut-Festival, einem Zusammentreffen von Autoren und Musikern, die auf die ökologischen Probleme der Insel aufmerksam machen wollten.
2012 Poetikdozentur an der Universität Duisburg-Essen.
Zusammen mit seinem Kollegen Navid Kermani moderiert Guy Helminger seit 2006 den "Literarischen Salon International" im Kölner Stadtgarten. Er moderierte von 2010-2012 die Sendung KULTUR und von 2012-2016 die Sendung DNA im luxemburgischen Fernsehen.
Seit 2015 ist er Mitglied der Jury des Heinrich-Böll-Preises der Stadt Köln.

2022: Lyrikpreis Meran
2022: Verdienstkreuz des Großherzogtums Luxemburg
2022: Prix Servais (für: Lärm)
2020: Gustav Regler Literaturpreis
2020: Bourse Edmond Dune
2016: Dresdner Lyrikpreis (zudem Publikumspreis)
2015: Post-Poetry-Preis
2006: Prix du mérite culturel de la ville d'Esch
2004: 3sat-Preis bei den 28. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt
2002: Förderpreis für Jugend-Theater des Landes Baden-Württemberg
2002: Prix Servais
2001: Hörspiel des Monats März (für: 5 Sekunden Leben)
2001: Autorenstipendium der Filmstiftung NRW (für das Hörspiel: Morgen ist Regen)
2000: Autorenstipendium der Filmstiftung NRW (für das Hörspiel: Klapperschlange)

Das Geräusch der Stillleben. Stories. capybarabooks: Luxemburg 2023.
Die schwere Naht der Flüsse. Aufzeichnungen und Fotos aus Brasilien. capybarabooks: Luxemburg 2022.
Lärm. Roman. capybarabooks: Luxemburg 2021.
Die Lombardi-Affäre. Roman. capybarabooks: Luxemburg 2020.
Die Lehmbauten des Lichts. Aufzeichnungen und Fotos aus dem Jemen. capybarabooks: Luxemburg 2019.
Die Allee der Zähne. Aufzeichnungen aus Iran. capybarabooks: Luxemburg 2018.
Eine Tasse für Nofretete Nilpferd. Mit Zeichnungen von Manuela Olten. Bloomsbury/Berlin Verlag: Berlin 2010.
Neubrasilien. Roman. Eichborn: Frankfurt 2010 (überarbeitete Neuauflage: capybarabooks: Luxemburg 2020).
Die Ruhe der Schlammkröte. Roman. Kiepenheuer & Witsch: Köln 2007.
Morgen war schon. Roman. Suhrkamp: Frankfurt 2007.
Etwas fehlt immer. Erzählungen. Suhrkamp: Frankfurt 2005.
Rost. Kurzgeschichten. Editions Phi: Echternach 2001 (neuaufgelegt: capybarabooks: Luxemburg 2016).

Die Tagebücher der Tannen. Edition Rugerup: Berlin 2018.
Nördlich der Ferne. Mit Serigraphien von Robert Brandy. redfoxpress: Achill Island, Ireland 2017.
Libellenterz. Gesammelte Gedichte. Editions Phi: Differdange 2010.
Ver- wanderung. Editions Phi: Esch / Alzette 2002.
Leib eigener Leib. Editions Phi: Echternach 2000.
Entfernungen (in Zellophan). Editions Phi: Echternach 1998.
Die Gegenwartsspringer. Verlag am Schluechthaus: Esch / Alzette 1986.

45 Umdrehungen. Kurzhörspielserie. WDR: 2016/2017.
Fischsuppe. Hörspiel. WDR: 2011.
Frau Gantner. Hörspiel. WDR: 2010.
Rekonstruktion Kresch. Hörspiel. WDR: 2005.
Fluggeräte. Hörspiel. WDR: 2003.
Nachbarn. Hörspiel. HR: 2002.
Wasser. Hörspiel. WDR: 2002.
Morgen ist Regen. Hörspiel. WDR: 2001.
5 Sekunden Leben. Hörspiel. WDR: 2001.
Habicht. Hörspiel. SR: 1999.

Weemseesdet. 7 Drehbücher für die gleichnamige Luxemburger Sitcom (Folgen 7, 11, 12, 17, 19, 20, 22). Luxemburg 2011.

De Lampertsbierg. Dokumentarfilm. Textüberarbeitung: Guy Helminger. Regie: Joy Hoffmann. Luxemburg 2021.
De Buttek. Konzept: Luc Feit u. Guy Helminger. (Der Film hat kein Drehbuch. Er ist entstanden aufgrund der Improvisationen der Schauspieler und Schauspielerinnen.) Regie: Luc Feit. Luxemburg 2019.
Weemseesdet. 7 Drehbücher für die gleichnamige Luxemburger Sitcom (Folgen 7, 11, 12, 17, 19, 20, 22). Luxemburg 2011.
Bauereblues. Dokumentarfilm. Text: Julie Schroell, Guy Helminger, Claude Frisoni, Claude Lahr. Regie: Julie Schroell. Luxemburg 2011.

Madame Köpenick. Uraufführung im Kasemattentheater Luxemburg: 2022 (erschienen als Buch bei capybarabooks: Luxemburg 2022).
Wie ein König. Uraufführung im Kinneksbond, Mamer: 2020.
Jockey. Uraufführung im Kasemattentheater Luxemburg: 2019 (erschienen als Buch bei capybarabooks: Luxemburg 2019).
Guten Morgen, Ihr Völker. Uraufführung im Kasemattentheater Luxemburg: 2017.
Performance. Monolog. Uraufführung in Luxemburg, Théâtre du Centaure: 2016.
Venezuela. Drei Stücke. Capybarabooks: Luxemburg 2015.
Das Leben hält bis zuletzt Überraschungen bereit. Uraufführung am Grand Théâtre de Luxembourg: 2011 (2012 Aufführung in Wien).
Venezuela. Uraufführung in London: 2003 (erschienen als Buch bei Oberon Books: London 2003; deutsche Originalfassung erschienen bei Editions Phi: Esch / Alzette 2004; franz. Fassung bei Editions Théâtrales: Montreuil 2008) (weitere Inszenierungen in Luxemburg: 2004, Wien: 2004, New York: 2005, Frankreich: 2015 etc.).

in Auswahl:
In: Nationalität: Schriftsteller. Zugewanderte Autoren in Nordrhein-Westfalen. Hrsg. von Eva Weissweiler, Hidir E. Celik, Helle Jeppesen. Freepen: Bonn 2002.
In: Städte. Verse. Deutschsprachige Großstadtlyrik der Gegenwart. Hrsg. von Axel Kutsch. Landpresse: Weilerswist 2002.
In: Der Haifisch in meinem Kopf. Hrsg. von Aras Ören. Swiridoff: Künzelsau 2000.
In: Anthologie luxembourgeoise (poésie). Les écrits des forges: Québec, Canada 1999.
In: 33 Erzählungen. Luxemburger Autoren des 20. Jahrhunderts. Institut Grand-Ducal, Section des Arts et des Lettres. Luxemburg 1999.
In: Intercity. Editions Phi: Echternach 1995.
In: Lustich. LSV Autorenverlag: Luxemburg 1987.
In: In Sachen Papst. LSV Autorenverlag: Luxemburg 1985.

Außerdem Beiträge in:
ndl - Zeitschrift für deutschsprachige Literatur; orte - Schweizer Literaturzeitschrift: Zürich; Das Gedicht - Zeitschrift für Lyrik, Essay und Kritik: Weßling bei München; Krautgarten - Forum für junge Literatur: St. Vith (Belgien), Estuaires - Revue Culturelle: Luxembourg; perspektive - hefte für zeitgenössische literatur: berlin, graz; Wandler - Zeitschrift für Literatur: Konstanz

Mir wëlle bleiwen, wat mir ginn. Gedichter aus Lëtzebuerg. Im Rahmen der Weltausstellung in Dubai. (Original-Englisch-Arabisch). CNL: Luxemburg 2021.
Hällewull. Eine Anthologie Luxemburger Literatur. Gem. mit Vesna Kondrič-Horvat. Verlag des Slowenischen Schriftstellerverbandes: Ljubljana 2014.

Kuchen essen für Europa. Video-Installation. Gem. mit Martin Möller. Saarbrücken, Metz, Luxemburg 2002.

Guy Helminger. Ein Sprachanatom bei der Arbeit. Hrsg. von Rolf Parr, Thomas Ernst und Claude D. Conter. Synchron: Heidelberg 2014.

Auskunft Autor, Eigenrecherche, Kölner Autorenlexikon

Aktualisiert 11.09.2023