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Thomas Maurenbrecher


Thomas Maurenbrecher © privat
Thomas Maurenbrecher
1940
Krefeld
Berlin
Krefeld, Bielefeld
Niederrhein, Rheinland komplett
Prosa, Lyrik
Maybachufer 1
12047 Berlin

Pressedaten

Erläuterungen und Bedingungen

Pressefotos und Logos zum Download in der Datenbank LITon.NRW

Das Westfälische Literaturbüro in Unna e.V. pflegt im Rahmen der NRW-Literatur-Online-Datenbank LITon.NRW (ehemals www.nrw-literatur-im-netz.de) seit Herbst 2003 eine Foto-Datenbank mit hochauflösenden Fotos von Autor*innen sowie Fotos und Logos von literarischen Institutionen und Projekten aus NRW. Der Service richtet sich an Medien und Literaturveranstalter*innen, die auf diese Weise unkompliziert an Pressefotos und/oder Logos gelangen können. Dieser Service ist (in der Regel) kostenlos. Wenn ein*e Autor*in / eine Institution / ein Projekt Pressefotos bzw. Logos zur Verfügung gestellt hat, ist unter dem jeweiligen Profilfoto das bzw. die entsprechende/n Symbol/e aktiv (anklickbar). Klickt man darauf, klappt bei den Pressefotos ein neues Menü aus, worüber sich das/die Foto/s herunterladen lassen; bei den Logos öffnet sich direkt ein neues Fenster, worüber diese direkt heruntergeladen werden können. Einem Download steht nichts entgegen, wenn die folgenden Nutzungsbedingungen akzeptiert werden:

Alle Rechte vorbehalten. Die Bildmaterialien dürfen lediglich für die redaktionelle Berichterstattung bzw. von Veranstalter*innen für ihre Öffentlichkeitsarbeit unter Angabe des Copyrights bzw. des*der Urhebers*Urheberin (falls im Datensatz angegeben) honorarfrei verwendet werden. Andere Nutzungen, insbesondere jede Art von kommerzieller Verwendung des vorliegenden Materials außerhalb der Medienberichterstattung oder Veranstaltungswerbung, ist ausdrücklich untersagt. Mit dem Download von Fotos bzw. Logos stimmt der*die Nutzer*in dieser Regelung ausdrücklich zu.

Infos für Autor*innen, literarische Institutionen und Projekte

Für die Bereitstellung von Fotos und Logos im Download-Bereich von LITon.NRW entstehen Autor*innen, literarischen Institutionen und Projekten keinerlei Kosten. Die Zurverfügungstellung des Fotos und/oder Logos erfolgt jedoch prinzipiell honorarfrei. Auch das Westfälische Literaturbüro in Unna e.V. als Betreiber der NRW-Literatur-Online-Datenbank stellt potenziellen Nutzer*innen dieses Services keinerlei Kosten in Rechnung. Es wird lediglich ein möglichst einfaches Verfahren angeboten, schnell an Fotos bzw. Logos für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu gelangen. Das Westfälische Literaturbüro übernimmt aus diesem Grunde auch keinerlei Haftung, falls die Download-Fotos/-Logos nicht für den Zweck der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Veranstalter*innen u.ä. genutzt werden.

Pressebild(er)

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Copyright
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Arbeitsproben (3)

 

IM GEBIRGE (FRAGMENT)

Da machte er sich auf und... wiederum die Kehre... hinaufkeuchend den Anti-Atlas...das Schaf mit gebundenen Beinen im Glast der... ahne ich hinten... wie sich die Schwingen... kein Ende des Trottens... die Sahara die Spiegelung... arme Augen stechender Schädel... schnellt ein verschlafener Salamander... Piniensaft aus den Zapfen pressen lecken... Durst kein Tropfen am Wege... mit meinen Händen den Berg aufreißen nachschauen... nein ich sehe... krächzender Vogel kreisend über... immer nur Wegkehren... die Haustupfer grüßen da unter dem Moscheedach... huschende Bettücher mit Füßen drunter... ächze ich über die Dorfstraße... Bergkabylen Berber das hier... Allah Du bist mir zu groß... aus Deinen Wolken runter... ich sage ja schon Mekka die heilige Stadt... gib‘ mir Wasser Allah Pfefferminztee... gib‘ sofort beim Bart des Propheten... Köter auf der Dorfstraße... die glotzenden Alten vor der Teestube... die Sahara Timbouktou oder Ouagadougou alles zu weit zu trocken... Allah gib mir Wasser oder einen Dorfesel der pinkelt ich würd’s auffangen ich bin so weit mit der Casserole sieht mich eh keiner von denen... da Rufe aus der Teestube hallo Hans ich bin Hassan... hallo Hassan altes Haus... Du erinnerst Dich Hans wir zusammen Blohm & Voss Hamburg... ja ja... Du reinkommen Tee trinken... Guten Tag..ne..Merhaba...Aleikum selam.. setz Dich hierhin neben mich


MANHATTANLACHS

Ich habe all mein Frühstückssilber, aus böhmischen Silbererzen getrieben, zu hause gelassen, meine Eierbecher aus Alt-Meißen, meine geschnitzten Fischbeingabeln für die Scheiben von Leipziger Sülze, die ich liebe, den kleinen Elefanten als Salzstreuer aus hellgrüner Jade – all das, diesen Kulturplunder der Alten Welt habe ich zurückgelassen. Ich habe Ballast abgeworfen, um mit Molly Baby aufzubrechen.
Mein Frühstückstisch ist wackelig, ist aus Aluminiumgestänge, und auch mein Stuhl ist nicht besser. Alles nur zusammengenietet. Ich hänge bis über beide Ohren in meiner pinkfarbenen Schüssel mit den Crunchies, die in H-Milch schwimmen und von der Last des braunen gestampften Zuckers halb unter Milch gedrückt werden. Crunchies bis über die Ohren, das wollte ich immer schon -–Crunchies ohne Maß und Ziel. Wenn ich mich fürs erste vollgeschlemmt habe, schaue ich auf, schaue ich auf die endlosen Rücken von rotem Sandstein vor mir, über denen sich, ebenso maßlos wie ich, dieser Feuerball erhebt. Großvater Mond und Vater Sonne, ich glaube, so sagten die Indianer, so kommt jetzt mein roter Vater unbarmherzig auf mich zu, schlägt und brennt mich mit seinen Strahlen, seinen Feuerstrahlen, daß ich aufspringe, den Tisch mit der pinkfarbenen Schüssel umstürze, daß die Crunchies ein Staubbad nehmen, daß ich also aufspringe, davonstürze und in dieser gewaltigen Schlucht, dem Grand Canyon, zerschelle. Das wäre das Ende für diesmal. Und ich bin noch nicht einmal satt, nicht satt vom Frühstück und schon gar nicht satt vom Leben.
Aber nein, ich halte ein, ich erinnere mich, daß es Molly Baby gibt, im Zelt gibt es sie. Sie liegt da in ihrer Fülle, in ihrem Nachthemd mit Blumen- und Blättermotiven streng und doch harmonisch nach O’Keefe, auf dem Rücken liegt sie jetzt wahrscheinlich, im morgen dreht sie sich auf den Rücken, sie ist ein bißchen asthmatisch, dann geht’s besser. Ich kann Dich nicht sehen, Molly my Baby, aber ich sehe Dein Stirnband, Deine Sweatshirts und Deine Haarschleifen, die neben dem Zelteingang am Seil hängen. Ich muß vernünftig sein, ich muß kraftvoll sein, wenn Du aufwachst, einer muß ja vernünftig sein. Aber ich weiß es, sweet Molly, es geht bei uns reihum, wer gerade vernünftig ist, ich halte es ja auch gar nicht aus, immer vernünftig zu sein. Heute, das ahne ich, muß ich Deinen Erwartungen standhalten, muß groß und stark sein. So ein Ranger muß ich sein, ein Trapper, auch ein klein Bißchen ein Hobo. Eins darf ich nicht sein: langweilig. Denn Du wirst jeden Tag kraftvoller, alles an Dir ist federnd, Molly Baby, die Du jeden Nachmittag mit Deinem Stirnband an der Kante des Canyons entlangjoggst. Für Dich muß ich kein Sieger sein, ich muß nur so aussehen wie einer, der siegen könnte, wenn er wollte. Das ist okay, Molly.
Und so ist die Sache klar: Ich werde meinem Frühstück noch einen weiteren Gang folgen lassen. Schnell den Tisch wieder aufgestellt, die schweinchenfarbene Schüssel beiseitegeräumt, die Crunchies in den Staub getrampelt – und zur Ice Box gehen. Die kühlt wieder wie nie zuvor, seit ich vorgestern in Navajo Nostalgic Town neue Batterien für das Kühlaggregat kaufte – alles von diesem japanischen Konzern, der Panzer, Klaviere, Modems und Lollipops mischt, ein Mischkonzern eben. Egal, ich will mich konzentrieren: Türe auf, Alaska-Lachs raus, rein in den Plastikteller (farblich paßt es gut), Mayonnaise dazu und ein paar Scheiben Brot. Jetzt das Klappmesser aufgeklappt, das nach allem doch am besten schneidet. Lachs auslösen, das ist jetzt meine Aufgabe. Schnippschnapp, das ganze rosige Fleisch von diesem Alaska-Trumm in gleichmäßige Rechtecke schneiden, ganz wie in Manhattan. Vielleicht in der Gegend der 26.Straße mit dem Essen anfangen. Tapfer durchkauen, mindestens bis zum Off-Broadway. Dann fertig, den Rest wieder einpacken, zurück in die Box. Lower Manhattan kommt wieder in das kalte. Zahnstocher lasse ich heute aus, nur noch mal einen Schluck Kaffee aus der Thermoskanne.
Und dann in meinem Reader über die Mythen, Gesänge und Gebete der Indianer eine Seite mit einem Gebet an den Vater Sonne aufschlagen, das beten. Danach bin ich gerüstet für Dich, Molly my Baby, wenn Du im Zelteingang erscheinst.


DIE UNSICHTBARE GRENZE

Ich bin schon ganz angekommen im anatolischen Dorf, meinem anatolischen Dorf. Um diesen Aufenthalt hatte ich gekämpft. Nicht mit Degen oder Säbel, nicht im Kampfanzug oder in einer Rüstung, nein, den Zugang zu diesem Dorf hatte ich mir mit meinen eigenen Waffen erkämpft. Ich hatte Cengiz, der bei Daimler in Untertürkheim oder sonst einem dieser fleißigen schwäbischen Orte arbeitet, am Band, wo sonst, wo sie untereinander meist nur Türkisch sprechen, wenn sie überhaupt etwas sprechen, weil sie so schnell schrauben, heften oder schweißen müssen. Ich hatte Cengiz, den ich von irgend so einem evangelischen Integrationsseminar kannte, heiß gemacht, dass er mich endlich in sein Dorf einlud, in seine Familie, sozusagen mitten in die Kichererbsensuppe, in $işkebab und Kadaif. Jetzt saß ich hier, hatte alle Prüfungen bestanden, die endlosen Runden, Knie überkreuzt, dazwischen das kleine Teeglas, in dem sich das Bittere mit dem Süßen mischt. Diskret habe ich die jüngste Tochter angeschaut, wie sie gebaut war, vergeblich natürlich, das Mädchen, unter den kullernden braunen Augen, das unermüdlich und stumm Tee aus einer kleinen und einer großen Kanne nachschenkte. Ich habe die nie endenden Fragen beantwortet, wie geht’s denn, Sie kommen wohl aus Deutschland, etwa aus Hamburg, haben Sie schon unser Wasser getrunken, es ist das kühlste aller türkischen Dörfer, hatte die Glückwünsche "Beckenbauer-Schumacher-Rudi-Völler-sind-Klasse" entgegengenommen. Ich hatte die Teigtaschen, Börek oder $örek, mit allen erdenklichen Füllungen durchgekaut ohne mit der Wimper zu zucken, hatte den Floh in meinem Eisenbett aus den letzten Jahren des Osmanischen Reiches am andern Morgen beharrlichen abgestritten, obwohl alle beunruhigt davon ausgingen, dass es ihn geben müsste, denn es hatte ihn immer gegeben, also müsste er mich gestochen haben, haben, haben – uff! Ich kann das nicht alles wieder und wieder erzählen, bin schließlich kein Märchenerzähler.

Kurz und klar, Allah sei mein Zeuge: Ich kam ins Allerheiligste dieses schönen, verschlafenen, in den Singsang der Jahrhunderte getauchten, von einer der Huris, einer der schönen Frauen in Allahs Paradies, wohlwollend beäugten und nachts mit überirdischem Honig beträufelten Dorfes. Das Allerheiligste, das kann nur dies eine sein: Das viereckige weißgekälkte Ding mit Kuppeldach, klitzkleinen Fenstern und direkt daneben so einem Rundtürmchen mit Bleistiftspitze, immer gut gespitzt. Kein Glockenturm wie bei den entsprechenden Gebäuden in Europa, kein Hahn auf dem Dach, aber irgendein Kassettenrecorder mit Lautsprecher im Bleistiftturm, der fast immer einen Wackelkontakt hat. Man weiß es, so werden die Gläubigen zu ihren Gebetspflichten gerufen. Ich gehe mit in das weißgekalkte Viereck, am Freitag, wenn sie alle da sind oder da sein sollten, die Männer. Aufregend, mein Herz schlägt zum Halse. Innerlich halte ich mich an meiner Schirmmütze fest, die ich mit dem Schirm nach hinten aufgesetzt habe. Das Auge Gottes sieht die Köpfe der Männer lieber bedeckt und ihre Vorhäute gekappt. Das hat aber keiner bei mir kontrolliert, da war die Gastfreundschaft davor. Ich habe mich während des Gebets gewendet, bin niedergekniet, habe die Handteller wie Muscheln an die Ohren gehalten, alles wie die Männer vor und neben mir – das war nicht nur fromm, es war gesund, weil es so sportlich war.

Jetzt gehörte ich dazu, und jetzt erzählte man mir unter vorgehaltener Hand in der Teestube, dass das Dorf, an das man kommt, wenn man rechtsrum aus unserem Dorf mit dem großen Alubleistift neben der Moschee hinausgeht, ein Dorf ganz anderer Art sei. Ich wagte zunächst nicht, nachzufragen, denn ich ahnte, daß bei dem "anders" ein leichtes Grauen mitschwang. Langsam sickerten Begriffe zu mir durch, die deutlich machten, dass dieses andere Dorf so etwas wie ein Abgrund sein mußte, jedenfalls aus der sicht der Leute in unserem Dorf. Diese Begriffe waren: Aleviten, gesprengte Moschee, Frauen mit freiem Blick und offener Rede.

Es war das Ausland, jenes Dorf, vielleicht ein Terroristennest. Heiraten zwischen jungen Leuten aus den beiden Dörfern gab es keine, das erzählte man mir ziemlich bald. Ich sagte nur immer "hm" oder "ach so", wenn die Rede darauf kam – und war entschlossen, dorthin zu gehen und mir das selber anzusehen.

In der Woche darauf, wieder ein strahlender Sommertag, schlich ich mich fort und gab an, ich wollte einen längeren Spaziergang machen. Natürlich ging ich linksrum aus dem Dorf, dann leicht den Hügel hinauf, schließlich wandte ich mich nach rechts. Das Dorf, ich nenne es mal "devrim köyü", das "Revolutionsdorf", war nicht weit weg. Es lag hinter zwei Wegkehren am Fuß eines Hügels. Ich hatte damit gerechnet, dass als erstes streunende Jungen auf mich zukämen. Ich dachte, es würde mir helfen, wenn ich alles vorphantasierte, denn ich war nicht nur aufgeregt, ich hatte Angst. In dem Hass zwischen den beiden Dörfern kam ich mir vor wie ein Deserteur. Und so einer muß mit Strafe rechnen. Die Jungen kamen, schrieen, kündigten mich an wie die Raben. Und dann das Wunder: Frauen, auch jüngere, kamen auf mich zu, redeten mich ohne Scheu gegenüber dem Fremden, der nicht zur Blutsverwandtschaft gehört, an. Einige rauchten Zigaretten, boten mir eine an, gaben mir ihre, damit ich meine daran anzündete. Moschee, das brauchten sie nicht, sagten sie, es ginge auch so, man könne zu Hause beten. Die Männer sähen das auch so, hätten die Moschee am Dorfplatz eines Tages gesprengt.

Schön waren diese Frauen, nicht verhuscht. Ihren Händen sah man die harte körperliche Arbeit an. Sie hatten die Würde der inneren Freizügigkeit. Ich bekam auch Melone, in kleine Würfel geschnitten, nachdem ich erklärt hatte, wer ich sei, und Tee und Linsensuppe. Und da merkte ich belustigt, dass eines in beiden Dörfern gleich war: dass man nach dem Essen offen rülpst.

Wir standen am Fenster, sie zeigten mir die Felder, auf denen Männer arbeiteten. Und ich rauchte noch eine, Samsun oder sowas. Eine junge Frau, ich glaube, sie hatte schon zwei Kinder, lachte mehr als die andern, war so ungeniert, dass sie an der Schulter unter ihr Kleid griff und den Träger ihres BHs richtete, der offenbar verrutscht war.

Die Zigaretten- und Kicherfreiheit der alevitischen Frauen kam mir immer noch vor wie eine verbotene Frucht, als ich wieder über den Hügelumweg in Cengiz’ Dorf zurückging. Die strengen Sitten dort würden mir jetzt saurer werden, ich würde im Geist eine Bombe basteln, um die Moschee hochgehen zu lassen. Ein anderes Projekt würde ich wohl nie verwirklichen: in Absprache mit dem Bürgermeister und unter Ausschaltung des Dorfgeistlichen eine Kommunikationstherapeutin oder eine Schauspielerin herzuholen, die mit den Frauen und Mädchen des Dorfes, die das wollten, einen neuen Kommunikationsstil trainieren würden.

Egal. Ich blieb noch fast zwei Wochen in Cengiz’ Dorf. Spaziergänge, ein Ausflug auf dem Esel zur Sommerweide oben auf den Hügeln, einmal die Woche ins Schwitzbad in die nächste Stadt, wo wir unter uns Männern allen Dreck aufweichten und abbürrsteten. Und natürlich das endlose Palaver in der Teestube, wo ich freundschaftlich in die Backe oder in die Schulter gekniffen wurde. Da verblichen sacht die Erinnerungen an die Welt jenseits der Grenze, an das nächste Dorf mit seinen selbstbewussten paffenden Frauen. Ich genoß das Hier und Jetzt, ließ mich gehen, und so kam es, daß ich am Beginn der zweiten Woche in Cengiz’ Gastraum in den kleinen Rülpschor mit den langen Pausen einfiel, sozusagen naturwüchsig. Am Schluß dankte ich Cengiz, an einer Stelle sogar mit meinem bisschen Türkisch, und betonte, wie gut mir alles gefallen hätte. Er blieb verhalten, sagte nur: "Die Kaffeemaschine in der Teestube tut es schon lange nicht mehr, und in unserm ganzen Dorf findest du keine ordentliche Bohrmaschine. Die checken das hier nicht."


Geboren am 12. Dezember 1940 in Krefeld, nach dem Abitur 1960 Studium der Volkswirtschaftslehre. Mehrjährige Tätigkeit in der Industrie und in einem Verlag. Danach Studium der Soziologie und Ethnologie. Feldforschungen in Irland und der Türkei. 1984 Promotion über die Situation türkischer Arbeitsmigranten in Deutschland. Lehrauftrag an der Gesamthochschule Kassel. Sozialarbeit mit türkischen Gastarbeitern, später mit psychisch Kranken (Gemeindepsychiatrie). Schreibversuche häufen sich seit den 80er Jahren. Seit 1995 Arbeit als freier Schriftsteller. Er hat zwei Kinder, ist Mitglied im VS und in der Europäischen Autorenvereinigung "Die Kogge". Auslösend für sein Schreiben ist das Bedürfnis, mehr auszusagen als in der Alltagskommunikation üblich ist. Mehrere Aufenthalte in türkischen Dörfern mit ihrer noch bestehenden Erzählkultur siegten seine eigene Erzählkompetenz frei.

Unergründliches Kolkata. tao.de: Bielfeld 2015.
Mecklenburg forever. Mauer: Rottenburg 2007.
Balussa. Erzählung. Ch. Möllemann: Borchen 2006.
Im Freundeskreis. Außer sich. Ch. Möllemann: Borchen 2001.
Zwei Nasen im Wind. Snayder: Paderborn 1999.
Songül, die letzte Rose. Frieling & Partner: Berlin 1992.

Erzählungen:
Ventilatorwind und Hochzeitssaris: 2009.
Frische Bräute für Leo Tolstoi: 2009.
Der Speerwerfer: 2009.
Im Stelenfeld: 2008.
Abriss und Aufbau: 2008.
Afrika in der Ankerklause: 2008.
U-U-U-Bahn und woanders in Berlin: 2007.
Der Türkenmarkt: 2007.
Das Musikinstrumentenmuseum: 2007.
Die Philharmonie: 2007.
Regenfälle: 2007.
Tante Cornelia mit den Savannenhänden: 2004.
Manhattanlachs: 2004.
Die Kochgabe: 2003.
Europa und der Stier: 2003.
Wenn ich tausendmal aufstünde: 2003.
Puddingkörper: 2001.
Nach dem Medizinrad: 2001.
Die Vögel sind nicht gekommen: 1999.
Ich im Gespräch mit mir: 1999.
Istanbul, mein anderes Leben: 1998.
Eine Kraftnatur: 1998.
Der Uraltonkel und das Messer: 1983.

Große Gesten. Hörspiel. o.V.: o.O. 2006.

Die Erfahrung der externen Migration. Dissertation. Eine biographie- und interaktionsanalytische Untersuchung über Türken in der BRD. Peter Lang: Essen 1985.

Nach den Medizinrad. In: Segeberger Briefe 64/2001.
Puddingkörper. In: Segeberger Briefe 64/2001.
Sigmar entschwindet. In: Segeberger Briefe 62/2000.
Eine Kraftnatur. In: Hausbewohner. Anthologie. Styx-Verlag 2000.
Ich im Gespräch mit mir. In: impressum 15/1999.
Die Vögel sind nicht gekommen. In: erostepost 22/1999.
Istanbul, mein anderes Leben. In: Glück – ein verirrter Moment. Anthologie. Monika Wunderlich – VirPriv–Verlag 1999.
Der Uraltonkel und das Messer. In: Das Fremde und das Andere. Lauer & Richter 1983.

Literarische Texte (Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Das Musikinstrumentenmuseum, Die Philharmonie, Abriss und Aufbau, Der Türkenmarkt, Afrika in der Ankerklause, U-U-U-Bahn und woanders in Berlin, Russen in Berlin) für "Audioführer Berlin für Blinde". 2007-2009.
Omnibus – Volkserhebung – Volk. Essay. 2008.

Geboren wurde ich 1940, wuchs am Niederrhein auf, besuchte am Schluss die Schule in Oberbayern. Ich studierte, wurde während der Zeit sehbehindert. Nach einigen Jahren kaufmännischer Arbeit (Dipl.-Volksw.) versandete ich.
Ich musste mich entscheiden, neu ausholen: studierte Soziologie, Ethnologie und ein Stück Philosophie, arbeitete als Soziologe in Feldforschung und Lehre. Und immer wieder sozialarbeiterisch - mit Arbeitsmigranten und ihren Familien. Und mit psychisch Kranken (Gemeindepsychiatrie).
Schreibversuche häuften sich seit den 80er Jahren. Immer stärker wurde das Bedürfnis, etwas in meiner eigenen Sprache auszudrücken, überhaupt Grenzen zu überwinden: Ich hatte für mich die Kunst entdeckt, nachdem ich mich mehrmals in türkischen Dörfern mit ihrer Erzählkultur aufgehalten hatte. Die anatolischen Bauern, diese Laiensoziologen und Laienphilosophen, steigerten meine Lust am Erzählen, an Scherzkommunikation. Es nicht mehr wissen müssen, es offen lassen können. Beobachtetes und Imaginiertes anders, vielleicht unvoreingenommener, auszudrücken.

Auskunft Autor

Aktualisiert 04.07.2021